Soldaten schützen! Newsletter Verteidigung 07-2021
Soldaten schützen!
Eine persönliche Einschätzung von Florian Hahn, MdB (CSU)
Die Frage, ob die Bundeswehr über die Möglichkeit verfügen soll, be- waffnete Drohnen einzusetzen, begleitet mich seit ich Mitglied des Deutschen Bundestages bin. Seit nunmehr über zehn Jahren wird diese Debatte geführt, werden die immer gleichen Argu- mente ausgetauscht, Entscheidungen vorbereitet, und dann doch nicht getroffen. Die CSU und ich haben uns immer klar für bewaffnete Drohnen zum bestmöglichen Schutz un- serer Soldatinnen und Soldaten ausgesprochen. Deshalb auch wollten wir in der Debatte um bewaffnete Drohnen im vergangenen Jahr ein Zeichen setzen und haben die Un-
terstützerkampagne Soldaten schützen ins Leben gerufen.
Klar ist ohne jeden Zweifel: Die Soldatinnen und Soldaten verdienen und brauchen die beste Ausrüstung, um in den Einsätzen ihren Dienst an unserem Land verrichten zu können. Dazu gehören heutzutage ganz selbstverständlich auch bewaff- nete Drohnen, doch dies ist bisher immer – und das muss man leider in dieser Deutlichkeit sagen – an der SPD gescheitert. Derselben SPD, die gleichzeitig kein Problem damit hatte, die Truppe in Einsätze zu schicken.
Als im vergangenen Jahr die vage Hoffnung bestand, die Genossen könnten sich in dieser, für un- sere Soldatinnen und Soldaten existentiellen Frage, bewegen, fühlten sich viele an das Jahr 2017 erinnert. Denn schon im Juni 2017 lehnte die SPD kurz vor der Bundestagswahl die Unterzeich- nung des bereits vorbereiteten Vertrages für bewaffnungsfähige Drohnen des Typs Heron TP aus wahltaktischen Überlegungen ab. Aus vermeintlicher Rücksicht auf den Wahlkämpfer Martin Schulz wurde die lange versprochene und dringend benötigte Bewaffnung der Bundeswehrdroh- nen versagt. Und auch dieses Mal hielt die Hoffnung nicht lange, bevor die linken Dogmatiker und Ideologen in der SPD klarmachten, wer in der Partei Helmut Schmidts mittlerweile am Steuer steht und wohin der außen- und sicherheitspolitische Kompass der SPD dreht – nämlich scharf nach links. Im Willy-Brandt-Haus meint man, mit weltfremden und naiven Vorstellungen von Frie- den und Abrüstung ihren Kanzlerkandidaten Scholz im Wahlkampf unterstützen zu können. Da- bei vergisst man aber diejenigen, die tatsächlich jeden Tag für Frieden und Sicherheit sorgen: unsere Soldatinnen und Soldaten.
Wenn SPD-Fraktionschef Mützenich davon spricht, der Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten hän- ge nicht allein von Drohnen ab, dann ist das eine Binsenweisheit. Fakt ist aber: Bewaffnete Drohnen sind nun mal state-of-the-art und diese Schutzvorrichtung den Soldatinnen und Soldaten vorzuent- halten, ist, als hätten die Römer auf ihre Schildkrötenformation verzichtet oder die englischen Bogen- schützen auf ihre Langbögen. Bewaffnete Drohnen gehören heutzutage einfach zu einer guten und vollumfänglichen Ausrüstung dazu. Wer das leugnet, hat seine Augen vor der Realität verschlossen.
Die Debatte um bewaffnete Drohnen ist aber nur Teil einer größeren Debatte, die zu einer Grund- satzfrage führt: Welchen Weg wird Deutschland in der Außen- und Sicherheitspolitik in den kom- menden Jahren einschlagen?
Anhand der Argumente, die gegen Drohnen ins Feld geführt werden, zeigt sich eine grundsätz- liche Ablehnung der Verantwortung Deutschlands in der Welt sowie der Bundeswehr und allem Militärischen, ganz abgesehen von einer Technologiefeindlichkeit, die in erster Linie (absurde) Ängste befeuern will.
Häu g hört man, Drohnen könnten beim Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten nicht mehr leis- ten, als herkömmliche Luftunterstützung und dienten nur als völkerrechtswidrige Angriffswaffe.
Während der intensiven Debatte in den letzten Jahren, bei der Anhörung im Bundestag, bei den Veranstaltungen des Bundeswehrverbands und des Verteidigungsministeriums, sind überall Sol- datinnen und Soldaten zu Wort gekommen, die aus eigener Erfahrung berichtet haben, welchen Unterschied der Einsatz einer bewaffneten Drohne gemacht hätte. Und mit Blick auf meine zehn Jahre im Verteidigungsausschuss sind mir drei Situationen besonders nachhaltig im Kopf geblie- ben, bei denen eine bewaffnungsfähige Drohne den Unterschied gemacht hätte: Das ist Kunduz, das ist das Karfreitagsgefecht, und das ist der Beschuss des deutschen Lagers 2019 in Afghanistan.
Die Behauptung, bewaffnete Drohnen kämen aktuell überwiegend völkerrechtswidrig zum Ein- satz, entspricht nicht im Entferntesten der Realität. Und selbst die Völkerrechtsexperten, die Grü- ne und Linke in der öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses aufgefahren haben, konnten bestätigen, dass Drohnen in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht einge- setzt werden können und dass es keinen rechtlichen Unterschied zu anderen Waffensystemen, beispielsweise zu Kampf ugzeugen, gibt. Auch das Verteidigungsministerium hat sehr deutlich gemacht, dass der offensive und extralegale Einsatz deutscher Drohnen ausgeschlossen ist.
Ein weiteres Argument ist, dass bewaffnete Drohnen angeblich dazu führten, die Hemmschwelle für militärische Einsätze zu senken. Das ist natürlich korrekt, aber erstreckt sich nicht nur auf Drohnen, denn jede neue Fähigkeit verändert selbstverständlich die Einsatzszenarien. Als vor zehn Jahren unsere Soldatinnen und Soldaten auf ihren Patrouillen in Afghanistan nicht sicher genug ausgerüstet waren, haben wir im Bundestag selbstverständlich gehandelt und Schutzkom- ponenten für den Dingo angeschafft. Und das hat natürlich dazu geführt, dass wieder mehr Pat- rouillen gefahren werden konnten. Aber es ist doch auch klar, dass niemand diese Patrouillen aus Spaß an der Freude fährt, sondern aus militärischer Notwendigkeit. Und wenn mehr Patrouillen gefahren werden können, ist das gut für die Sicherheitslage vor Ort und die Erfüllung des Auftra- ges, den übrigens immer der Bundestag erteilt.
Die Entscheidung der Sozialdemokraten gegen die Drohne war eine Entscheidung gegen die Bun- deswehr. Und es war die endgültige außen- und sicherheitspolitische Kapitulation der SPD, die mittlerweile auch nicht mehr davor zurückschreckt, die NATO und die Nukleare Teilhabe in Frage zu stellen und damit deutlichen Kurs auf die Linke als künftigen Wunschpartner nimmt. Wohin diese Reise der SPD noch gehen wird ist nicht sicher, klar ist jedoch: Wir werden in dieser Legisla- turperiode im Bundestag nicht mehr über die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundes- wehr entscheiden können, da Kanzlerkandidat und Finanzminister Scholz die entscheidungsrei- fe Vorlage in seinem Ministerium blockiert und nicht an den Bundestag weiterleitet.
Doch nicht nur die SPD, auch die Grünen tun sich seit jeher schwer mit der Bundeswehr und sind in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik tief gespalten. Grundsatzprogramm sowie Aus- sagen der Parteispitze bleiben ebenso vage wie unverbindlich und gehen nicht über politische Allgemeinplätze hinaus. Das Realistische und das Notwendige hat in der Grünen Außen- und Si- cherheitspolitik keinen Platz, in der es mehr um moralische Utopien geht.
Derzeit scheinen die Grünen nur das Ziel zu haben, Kon ikten zwischen den einzelnen Flügeln innerhalb der Partei vor der Bundestagswahl zu vermeiden. Wie tief der Riss in der Partei ist, offenbarte sich erst kürzlich an der Frage der Nuklearen Teilhabe. Als die Böll-Stiftung richti- gerweise auf die Wichtigkeit und Notwendigkeit eines engen Schulterschlusses mit den USA und unseren anderen NATO-Partnern hinwies, zu dem selbstverständlich auch unser Beitrag zur Nuklearen Teilhabe gehört, blitzte der Grunddissens augenblicklich auf. Altvordere und Verteidi- gungspolitiker überschlugen sich förmlich klarzustellen, dass dies keine grüne Politik sei. Auch was bewaffnete Drohnen angeht, verstricken sich die Grünen in Widersprüche, die es für die Partei erst noch zu klären gilt. Dasselbe gilt übrigens, wenn es um ein klares Bekenntnis zur Bundeswehr geht.
Für mich und meine Partei ist klar: Wer im Zweifel Leib und Leben für unser Land riskiert, der hat unseren Dank und unsere Anerkennung verdient. Deshalb haben wir schon vor Jahren die Kam- pagne Wir. Danken. Euch. ins Leben gerufen. Doch Dank und Anerkennung genügen nicht und gerade deswegen setzen wir uns unter anderem für bewaffnete Drohnen in der Bundeswehr ein.
Ich befürchte aber, die Perspektive dafür ist nicht die Beste. Es wird mindestens bis zur Bundes- tagswahl dauern, bis wieder Bewegung in die Sache kommen wird, womit erneut wertvolle Zeit verstreicht. Die kommenden Koalitionsverhandlungen, egal in welcher Konstellation, werden Aufschluss darüber geben, wohin die Reise tatsächlich führen wird – auch im Hinblick auf die Eurodrohne. Denn klar ist, all unsere Partner werden diese bewaffnen. Wie kann die Politik unse- ren Soldatinnen und Soldaten da erklären, dass Deutschland einen Sonderweg geht? Wie erklärt man, dass der Schutz französischer, italienischer und spanischer Soldatinnen und Soldaten ihren Politikern scheinbar mehr wert ist, als den deutschen? Diese Fragen müssen sich SPD und Grüne stellen, sollte es ihnen tatsächlich ernst sein mit unserer Bundeswehr.
Denn alle demokratischen Parteien, die in diesem Land politische Verantwortung tragen wollen, müssen sich klar zu unserer Bundeswehr bekennen und dürfen nicht die Sicherheit unserer Trup- pe zugunsten ideologischer und wahltaktischer Irrungen opfern. Soldatinnen und Soldaten leis- ten einen unverzichtbaren Beitrag für unser Land. Umso mehr gilt: Wir müssen die schützen, die uns schützen!
Über den Autor: Florian Hahn, MdB ist stellvertretender Generalsekretär der CSU und Or- dentliches Mitglied im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages (als Berichter- statter für die Luftwaffe) sowie im Ausschuss Angelegenheiten der Europäischen Union, wo er als Europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Angelegenheiten der Europäischen Union tätig ist.
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